Die schriftlichen Ausführungen zum “Messerverbot”, d.h. dem Verbot des Führens, liegen inzwischen vor. Schön ist, dass bei entsprechender Argumentation (“das ist ein Rettungsmesser“) das Verbot umgangen werden kann. Nicht so schön ist, dass das Verbot dadurch noch unnötiger wird, als es sowieso schon ist. Leider ist nunmal jeder Gegenstand irgendwie geeignet, jemanden umzubringen.
Wie auch immer, wir werden in ein paar Jahren nicht umhinkommen, die Schrauben mit der Beisszange ins Holz zu drehen 🙁
Bei der ganzen Empörung (und meinerseits ganz klar: massiven Enttäuschung) über die Politniks geht unter, dass der Verursacher dieses Dramas den Bundestagsausschuss glatt angelogen hat: Das von Tölle nach Goebbelsmanier als “Meinungsverstärker” benutzte und dann verdächtig schnell vor Ende abgebrochene Video zeigt zwei Türsteher, die angeblich mit einem der (jetzt vom Verbot betroffenen) Einhandmesser attackiert wurden.
O-Ton Tölle: “Die beiden haben die Nacht nicht überlebt!”.
Dummerweise ist das Video der Überwachungskamera in voller Länge bei Youtube aufgetaucht. Blöd für Herrn Tölle – denn in dem Teil des Videos, dass Tölle nicht zeigen wollte, ist klar zu erkennen, dass einer der beiden angeblich tödlich Verwundeten fit genug ist, den Täter umgehend zu verfolgen. Ein wenig Recherche von Visier zeigte, dass
- dieser Vorfall in einer völlig anderen Stadt als von Tölle behauptet stattgefunden hat,
- der Vorfall schon ein paar Jahre zurückliegt,
- beide Türsteher nur leicht verletzt wurden,
- sie glücklicherweise heute putzmunter sind und somit
- Tölle schlicht und ergreifend die Unwahrheit gesagt hat.
Visier stellt zwei Fragen und macht eine Aussage, die gerne zitiere:
Aus all dem ergeben sich Fragen:
- Handelt es sich dabei um eine Lüge?
- Wurde der Innenausschuss seitens Herrn Tölle absichtlich mit Fehlinformationen gefüttert, um weitere – unnötige – Gesetzesverschärfungen durchzusetzen?
- Fragt sich weiter: In wessen Auftrag hat Herr Tölle da gegebenenfalls gehandelt? Sollte er dem Berliner Innensenator Flankenschutz geben, das von diesem gewollte Messerverbot durchzusetzen – obwohl da bis zur Anhörung die Gewerkschaft der Polizei und viele Abgeordnete den Sinn der Regelung stark bezweifelten?
- Handelt es sich dabei um Schlamperei? Dann hat Herr Tölle seine Recherchen nicht anständig erledigt und so fahrlässig unnötige Verschärfungen provoziert
Gleichgültig, wie —als Experte zu Waffenrechtsfragen hat Herr Tölle seine Glaubwürdigkeit verloren. Wenn das die Art ist, in der der Oberste Justitiar der Berliner Polizei im Rang eines Kriminaldirektors (das entspricht im Rang ungefähr dem eines Bundeswehr-Obersten) mit der Wahrheit umgeht, dann gnade der Allmächtige jedem vom Waffenrecht Betroffenen bei einer Gerichtsverhandlung.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Quellen
- Messerattacke Fassung aus Youtube: Diesen Videoclip, der schon seit Jahren bei Youtube zu sehen war (und nun regelmäßig gelöscht wird), sahen die Teilnehmer der Anhörung
- Kommentare zum Videoclip: So wurde der Vorfall in der Anhörung durch den Berliner Kriminaldirektor Oliver Tölle dramatisiert und vor dem eigentlichen Schluß beendet.
- Messerattacke Inkognito Celle ungeschnitten: So zeichnete die Türkamera den tatsächlichen Vorfall auf, inklusive des bei der Anhörung fehlenden Schlußteils, der zeigt, daß sich wohl einer der angeblich erstochenen Türsteher noch an der Verfolgung des Täters beteiligte.
- Gesamtstellungnahme Oliver Tölles in der Anhörung.
- Link zur öffentlichen Anhörung des Innenausschusses: Hier unter “Parlamentsfernsehen / Bundestag nach Bedarf – der Video-on-Demand-Dienst des Parlaments” die Sitzung des Innenausschusses vom 13.02.2008 auswählen (der direkte Link könnte irgendwann mal nicht mehr funktionieren). Ab Minute 54 beginnt der Auftritt von Herrn Tölle.
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